Platz 6: Einmal um die eigene Achse
Ich hatte mal einen tollen Nebenjob im Winterdienst: Bin mit einem kleinen Schneemobil der BSR über verschneite Straßen gefahren, auf dass niemand mehr ausrutscht und alle viel Spaß haben. Die eigentliche Aufgabe bestand darin, irgendwelche Hinterhöfe und Aufgänge mit einem Partner vom Schnee zu befreien und den Untergrund ordentlich mit Sand zu bestreuen.Ich hätte von vornherein skeptisch sein sollen: Als sich das Heer der Winterdienstler - mehrheitlich Studenten und Pensionäre - in der Mühlenstraße mit dem Job vertraut machte, war ich der einzige, der vom BSR-Menschen gebeten wurde, noch eine zusätzliche Runde im Auto zu drehen. Es gab drei verschiedene Modelle, mit denen man auf seine Tour geschickt werden konnte, und ich war dem Chef nicht couragiert genug: "Nun drück mal n bißchen auf´s Gas, Freundchen", versuchte er mich zu einer schnelleren Fahrt zu animieren.
Bin ich Stuntman oder Nebenjobler?
Zumindest ging mir der Job ganz schön auf die Nerven, da es kein Spaß ist, um 1 Uhr nachts aus dem Bett geklingelt zu werden, um dann drei Stunden später irgendeine blöde Tour zugewiesen zu bekommen. Ich hab dann einfach in der elterlichen Wohnung heimlich den Telefonstecker aus der Wand gezogen. Meine Eltern dachten sich nichts dabei, dass ich trotz prächtigen Winters nur vergleichsweise wenige Einsätze hatte.
Eines Sonntags, als ich mittags ein Spiel mit meiner Fußballelf haben sollte, war meine Mutter so geistesgegenwärtig, dem BSR-Menschen zu versichern, daß Sohnemann noch im Bette liege, aber sich doch schon drauf freut, gutes zu tun und seinem Job nachzugehen.
Ich frühstückte also flüchtig und stand eine dreiviertel Stunde später auf dem BSR-Hof. Ich ging die kleine Treppe hoch, ließ mir Plan und Schlüssel geben, suchte mein Auto, verfluchte, dass ich ganz ohne Stadtplan mein Gebiet finden wollte, glaubte mich aber zu erinnern, die Bänsch- und Weserstraße schon mal besucht zu haben.
Ich machte mich also auf den Weg, verfuhr mich ein paar Mal, hatte dann aber plötzlich einen Plan und fuhr los. Bevor ich auf die Petersburger Straße fuhr, schnallte ich mich noch einmal an und ich machte mich Richtung Bersarinplatz auf.
Es war recht glatt, so dass man nicht schneller als 30 km/h fahren konnte, trotzdem wurde hinter mir ordentlich gedrängelt. Ich fahre also schön auf der Petersburger und überhole ein rechts auf der Straße stehendes Auto, blicke mich nach hinten um, der Schulterblick geht aber ins Leere, weil hinter mir ne Wand und keine Scheibe war, ich lenke nochmal und plötzlich lag ich auf der Seite.
Ich musste mich dann kurz orientieren, machte die Tür nach oben auf - was die Fahrertür war - und beschaute das Spektakel. Die Rundumleuchte lag zehn Meter enntfernt, der Sand war hübsch auf der Straße verteilt, aber mir gings gut und ich rief erstmal über das Bündelfunkgerät die Zentrale an.
War ständig besetzt, aber auf der anderen Straßenseite vernahm ich plötzlich ein anderes BSR-Auto, ich winkte dem Fahrer zu und er kam rüber. Er rief dann erstmal die richtige Nummer an - die Nummer, die in meinem Auto stand, war die eigene - und rief Verstärkung. Bevor die aber eintraf, wollte der Reporter der BILD-Zeitung erstmal ein Helden-Foto von mir. Da ich mich aber keinesfalls als Held fühlte, ging ich dezent aus dem Bild.
Das Auto hatte einen ordentlichen Schaden erlitten (ich hörte was von 70´000 D-Mark), ich wurde erstmal aus dem Verkehr gezogen und durfte in der Folge nur noch als Beifahrer fungieren. Hatte mir trotzdem eine gewisse Reputation eingebracht: Ach so, du bist also der, der damals...?". Genau.
Der Polizist war recht fassungslos: "Also so was habe ich ja noch nie gesehen. Dieses Auto hat so einen niedrigen Schwerpunkt, das kann eigentlich gar nicht umkippen. Wie haben sie das nur angestellt?"
Das blieb mein Geheimnis. Aber wie sagte schon der olle Archimedes: "Gebt mir einen festen Punkt außerhalb der Erde und ich hebe die Welt aus den Angeln."


0 Comments:
Post a Comment
<< Home