Tuesday, April 24, 2007

Kirschen essen mit Günter

Am nächsten Tag ging ich ins Hotel Bristol, wo Grass gegen 15 Uhr auf mich warten sollte. Um diese Zeit war die Hotelhalle leer, nirgends ließ sich ein westdeutscher Schriftsteller blicken. Nur ein einziger Sessel war besetzt, in dem saß aber ein Mensch, der nicht hierher passte. (...) Plötzlich riss er sich zusammen und schritt auf mich zu. Ich erschrak. Aber nicht sein mächtiger Schnurrbart war es, der mir Angst einjagte, sondern sein Blick, sein sturer und starrer, ein gläserner, ein beinahe wilder Blick. Mit dem, dachte ich mir, ist nicht gut Kirschen essen, den möchte
ich nicht auf einer dunklen Straße treffen, der hat wohl in seiner Hosentasche wenn auch nicht einen Revolver, dann doch ein Messer.

Marcel Reich-Ranicki: Günter Grass. Aufsätze. Zürich 1992. S. 159.

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