Saturday, October 20, 2007

Der Skyrunner


Sie laufen immer allein. Wie motivieren Sie sich auf Ihren Touren? Wenn ich stark sein will, spreche ich Russisch mit mir. Dann fühle ich mich wie ein Kapitän auf einem russischen Atomeisbrecher. Ich stehe auf meinem Schiff, es geht voran, vor mir bricht das Eis. Die russische Phonetik gibt mir das Gefühl, dass ich stark bin. Wenn ich Angst bekomme, fange ich dagegen an, Englisch zu sprechen. "Hey man, take care" und solche Sachen. Das ist alles total seltsam.

Laufen Sie Ihrem Körper davon, Herr Stangl? Interview mit Andreas Lesti, in: FAZ, 20.10.2007, Z6

Thursday, October 11, 2007

Wer kennt das nicht?


Es gibt den Zustand höchster Anstrengung, wenn man neben sich steht und sich selbst als zweite Person wahrnimmt. Man ist wie im Rausch und nicht mehr Herr seiner Sinne. Es kann sein, dass man einen wildfremden Menschen, der an der Strecke steht und einen anfeuert, unglaublich intensiv wahrnimmt. So als wäre sein Gesicht direkt vor dem eigenen. Und eine andere Person, die man vielleicht sehr gut kennt, sieht man überhaupt nicht. Das ist eine selektive Wahrnehmung, die ich nicht erklären kann.

Faris Al-Sultan: "Da ist man plötzlich auf der Suche nach Gott", Interview mit Axel Heuber, in: Die Welt, 11.10.2007, S. 41

Wednesday, October 10, 2007

Mein Buch!


Günter Grass und Martin Walser vermissen den mangelnden Respekt ihren Leistungen gegenüber. Können Sie das nachvollziehen? Überhaupt nicht. Das sind doch die letzten Nieten. Was hat denn Walser geschrieben? Illustriertenromane. Und haben sie von Grass schon mal was gelesen? "Im Krebsgang" vielleicht? Das Buch, das er von mir abgeschrieben hat? Sogar den Titel hat er von mir. Unglaublich ist das. Warum denken Sie, dass er das Buch bei Ihnen abgeschrieben haben soll? Ich hatte vorher ein tausendseitiges Buch über den Untergang der Wilhelm Gustloff geschrieben, und Grass erwähnt mich in seinem Buch mit keinem Wort. Was ist das für eine Ungehörigkeit? (...)

Wenn es aus ist, ist es aus. Ein letztes Gespräch mit Walter Kempowski, der Freitagnacht gestorben ist. (Das Interview führte Nahuel Lopez Anfang Juli in Kempowskis Haus in Nartum.), in: FAS, 7.10.2007, S. 41

Friday, October 05, 2007

Niedliche Nager


Ich habe jetzt den ersten Hebel gedrückt, sagte O´Brien. Die Konstruktion des Käfigs ist Ihnen doch klar? Die Maske passt nahtlos über Ihren Kopf. Wenn ich hier auf diesen anderen Hebel drücke, dann gleitet die Käfigtür hoch. Die halbverhungerten Bestien werden wie Kugeln heraussschießen. Haben Sie schon einmal eine Ratte durch die Luft springen sehen? Sie werden Ihnen ins Gesicht springen und sich sofort hineinbohren. Manchmal stürzen sie sich zuerst auf die Augen. Manchmal graben sie sich durch die Wangen und fressen die Zunge.

George Orwell, 1984, München 2000. S. 342.